Kopje Koffie. Der niederländisch-flämische Bücherpodcast #6
Kopje koffie – bei einer Tasse Kaffee kommen die Journalistinnen Katharina Borchardt und Bettina Baltschev mit Autor:innen aus den Niederlanden und Flandern ins Gespräch und stellen frische Neuerscheinungen aus unseren Nachbarländern vor. Dabei sind auch Auszüge in Originalsprache und viel Persönliches von ihren Gästen zu hören. Der deutsche Bücherpodcast macht Lust und Laune auf eine Entdeckungsreise durch die aktuelle niederländischsprachige Literaturszene.
Auf einen starken Kaffee am Morgen könne er schwer verzichten, gesteht Tobi Lakmaker, der am liebsten auch bei seinem Wanderurlaub in Frankreich eine handliche Espressomaschine dabeihätte. Bettina Baltschev traf ihn im Januar in Amsterdam, um über sein deutsches Debüt „Die Geschichte meiner Sexualität“ zu reden, das Ende des Monats bei Piper erschienen ist. In den Niederlanden noch unter dem alten Vornamen Sofie veröffentlicht, machte ihn der Roman in seiner Heimat über Nacht zum Shootingstar. Die Filmrechte sind bereits verkauft, und die Vogue kürte ihn zum literarischen Talent 2021.
Worum es geht? Mit 24 Jahren gab Sofie es auf, die Frau zu werden, die andere in ihr sehen. Sie trägt die Haare raspelkurz, schwärmt für Jennifer, Muriel und Roos und wird schließlich zu Tobi. Vorangegangen sind Jahre intensiver Suche nach dem eigenen Selbst, eine geplante „Solide Entjungferung“ und intime Erfahrungen mit Walter und Lusche D. Eine endgültige Antwort zu seiner sexuellen Identität hat Tobi nicht, gerade deswegen aber die wildeste, witzigste Geschichte darüber. Sein Buch berichtet frisch und entwaffnend von den Räumen zwischen Weiblichkeit und Männlichkeit, von fluider Identität – und davon, dass wahre Intimität dort beginnt, wo wir alle Kategorien vergessen.
Im Gespräch mit Bettina Baltschev erzählt Tobi von seinen Jobs als Tellerwäscher und Pizzabäcker, die ihn letztlich auf seine wahre Leidenschaft, das Schreiben, vorbereiteten. Er berichtet von Beziehungen zu Männern und Frauen und der Schwierigkeit, Nähe zuzulassen und sich zu öffnen. Es geht um Literatur, Philosophie und vor allem Fußball, die eine wichtige Rolle in seinem Leben spielen. Eine Reise führt ihn quer durch Europa und lässt ihn die wahre Liebe zu seiner Heimatstadt Amsterdam erkennen. Aber auch davon ist die Rede: Als Tobi schließlich bei sich selbst ankommt, die Schriftstellerei als Berufung entdeckt und erste Erfolge feiert, stirbt seine Mutter, die ihn während der ganzen Geschichte mit viel Neugierde begleitet hat. An seinem 25. Geburtstag wird sie begraben. Abschied und Neubeginn in einem.
Kopje Koffie. Der niederländisch-flämische Bücherpodcast von der Niederländischen Botschaft in Berlin und der Niederländischen Stiftung für Literatur in Amsterdam in Kooperation mit Flanders Literature Antwerpen und der Vertretung von Flandern.
Antoon Berentsen zegt
Freut mich, dass die deutsche Niederlandistik in Neerlandistiek.nl ein Fenster findet. (Vielleicht erinnert sich dort noch jemand, wie Rolf Brockschmidt (FU Berlin) Mitte der 70. Jahre seine Sammlung zeitgenössischer niederländischer Poesie unter dem Titel “Brachland” auf Matritze getippt vervielfältigen musste, um sie unters Volk bringen zu können. Utrechter Germanistenfreunde hatten es ihm mit einer ähnlichen Sammlung zeitgenössischer deutscher Poesie vorgemacht.)