Door Henning Radke
Nelson Mandela sprach Xhosa, Englisch und Afrikaans. Letzteres brachte er sich während seiner jahrzehntelangen Gefangenschaft selbst bei. So versuchte er, politische Zusammenhänge besser zu verstehen, und konnte gleichzeitig den Gesprächen der Wärter folgen, die sich oft auf Afrikaans unterhielten. Das Wissen darüber, was in der Außenwelt vor sich ging, verschaffte ihm einen großen Vorteil. Kein Wunder, dass Madiba (wie er in Südafrika oft genannt wird) seine Afrikaans-Kenntnisse weitestgehend für sich behielt.
Nach seiner Freilassung änderte sich diese Haltung: Selbst bei öffentlichen Veranstaltungen sprach Mandela immer mal wieder Afrikaans. Zum ersten Mal wohl am 21. Juni 1990, nur vier Monate nach seiner Haftentlassung – ausgerechnet in einem Interview, das live im US-Fernsehen ausgestrahlt wurde. So staunten Millionen US-amerikanischer Zuschauer nicht schlecht, als sie von Nelson Mandela die folgenden Sätze vernahmen:
Aangename kennis, Koos. Ek hoop van harte dat eendag ek die geleentheid sal kry om met u te gesels.
Nett, Sie kennen zu lernen, Koos. Ich hoffe von Herzen, dass eines Tages ich die Gelegenheit bekommen werde, mich mit Ihnen zu unterhalten.
Was wie eine freundliche Einladung klang, war im Grunde genommen das Gegenteil. Der angesprochene Koos van der Merwe war Politiker der extremen Conservative Party und hatte ihn zuvor scharf kritisiert – und zwar auf Englisch mit hörbar afrikaansem Akzent. Mandela antwortete ohne mit der Wimper zu zucken direkt auf Afrikaans und zeigte, wie sehr er auf Augenhöhe stand, egal mit welchem politischen Rivalen er es zu tun hatte. Die ironischen Worte verfehlten ihre Wirkung nicht: Das Publikum jubelte begeistert und Millionen US-Amerikaner rätselten für einen Moment, was Mandela da plötzlich sagte.
Doch nicht nur Ironie war für Mandela Anlass, Afrikaans zu sprechen. Auch wahre Herzlichkeit gehörte dazu: Diese widmete er seinem Vorgänger im Amt des Präsidenten, Frederik Willem de Klerk, der zusammen mit Mandela den friedlichen Weg vom Apartheitssystem in die Demokratie ebnete. Beide bekamen dafür 1993 den Friedensnobelpreis. Die entstandene Freundschaft hielt mehr als ein Jahrzehnt und so sprach Mandela im Jahre 2006 die folgenden Eröffnungsworte zum 70. Geburtstag von FW de Klerk:
Geagte FW, dis goed om te sien hoe ons oud word. Ek het darem nog my hare. Al is dit ’n bietjie gryser, ek kan jou verseker, dis nie jy wat my hare gryser gemaak het oor die laaste 16 jaar nie. Ek hoop ook nie dat ek oor die jare bygedra het om joune te laat uitval nie.
Geehrter FW, es ist gut zu sehen, wie wir alt werden. Ich habe zumindest noch meine Haare. Obwohl sie ein bisschen grauer sind, kann ich dir versichern, dass nicht du es bist, der sie in den letzten 16 Jahren grauer gemacht hat. Ich hoffe auch, dass ich über die Jahre nicht dazu beigetragen habe, deine ausfallen zu lassen.
Diese Worte kamen von Herzen und verfehlten ihre Wirkung nicht: ein angetaner FW de Klerk saß im Publikum und lächelte. Nelson Mandela hatte schon lange erkannt, dass Sprachen Brücken bauen. Wenn man sie dazu einsetzt.
Foto: Nelson Mandela Statue, Pretoria South Africa (P. Saad, CC-BY-SA-4.0), Wikimedia
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