Von Philipp Krämer
Vor einigen Wochen auf der „Germanic Sandwich“-Konferenz in Münster konnte man etwas beobachten, das ich bislang eher aus der Romanistik kannte: Vorträge in verschiedenen Sprachen der Sprachfamilie, und fast alle verstanden einigermaßen, worum es ging. Egal ob der Vortrag auf Deutsch, Englisch oder Niederländisch war. Skandinavische Sprachen waren als Untersuchungsgegenstand vertreten, aber nicht als Vortragssprache – das wäre vielleicht auch schwieriger geworden. In der Romanistik ist man weniger realistisch. Dort wird gelegentlich erwartet, dass man ohne mit der Wimper zu zucken Portugiesisch versteht, wenn man mal Italienisch gelernt hat.
Nun hat die Romanistik auch eine längere Tradition, sich als fachliche Einheit zu verstehen, jedenfalls in der deutschsprachigen akademischen Welt und ein wenig auch in der internationalen Fachgemeinschaft (z.B. bei den Tagungen der Société de Linguistique Romane). Gäbe es einen ähnlichen Zusammenhalt bei der Forschung zu germanischen Sprachen – und der Erfolg des Germanic Sandwich scheint das nahezulegen –, wie sollte dann diese Fachrichtung heißen? Der Begriff Germanistik ist schon besetzt. Den hat sich die Forschung zum Deutschen und seinen Kulturformen unter den Nagel gerissen, bevor das Englische noch auf dem Weg zur Weltsprache war und den Oberbegriff für sich hätte beanspruchen können. Es wird schwer zu machen sein, die jetzige Germanistik einfach in Teutonistik umzubenennen.
In der Niederlandistik ist das Problem ähnlich. Natürlich ist Niederländisch auch die Sprache Flanderns, insofern ist die Bezeichnung völlig korrekt (jedenfalls schon einmal besser als Hollandistik, was man aus unachtsamem Munde schon einmal hört). Der Begriff klingt trotzdem sehr nach Niederlande-Forschung, obwohl der gesamte Sprachraum betrachtet wird. Es geht eben um die Sprache der niederen Lande, für die wir auf Deutsch auch keinen Begriff haben, der die Lage Landen oder die Low Countries angemessen abbilden würde.
Hinzu kommt noch, dass die neerlandistiek bzw. Niederlandistik mit ihrer germanischen Wurzel und der gelehrten –istik merkwürdig zusammengeschraubt wirkt gegenüber den eleganten klassischen Bezeichnungen wie Hispanistik, Lusitanistik oder Sinologie. Wäre nicht die Batavistik eine schöne Alternative? Immerhin hätte man dann eine schöne humanistisch-lateinische Basis.
Trotzdem ist die Begriffswahl nicht unbedingt ideal, denn einige Assoziationen sind eher unschön: Die Batavische Republik war kein besonders nachhaltiges Konstrukt und dass Jakarta einmal Batavia hieß, muss man auch nicht unbedingt feiern. Dort wurde übrigens eine Zeitlang eine portugiesisch-basierte Kreolsprache gesprochen, die längst ausgestorben ist, aber für sich noch der Name Batavia Creole in der Fachcommunity hält. Vielleicht wäre die Batavistik ein geeigneter Begriff für die Erforschung dieser Sprache.
Lösungen für das Germanistik-Problem sind das alles nicht. Wahrscheinlich braucht es gar keine. Am Ende machen wir ja doch vor allem einfach Sprachwissenschaft. Also taalkunde. Oder linguistics.
Deze column verscheen eerder vandaag op de blog van de vakgroep Nederlands van de Freie Universität Berlin.
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