Sprachpolitik und Streit in den Niederlanden
Text eines in Leipzig gehaltenen Vortrags
Wir leben in interessanten Zeiten, was die Sprachpolitik betrifft. Noch nie zuvor war eine Sprache weltweit so stark verbreitet, in allen Lebensbereichen und in so vielen Regionen der Welt. Sprachen wie Latein oder Französisch waren in der Vergangenheit “internationale” Sprachen, aber nur bei den Eliten und nur in einem bestimmten geografischen Gebiet – Europa. Englisch wird hingegen auch in großen Teilen Asiens und Afrikas verwendet, für alltägliche Gespräche und sicherlich für internationale Kommunikation. Insbesondere in Europa ist es zunehmend eine Sprache, die von vielen Schichten der Bevölkerung in gewissem Maße beherrscht wird. Es ist nicht nur die Sprache der hohen Literatur, sondern vor allem auch der Populärkultur, und sie ist sichtbar im Straßenbild fast jeder internationalen Stadt.
Der Status des Englischen ist nicht nur der internationalen Sprachpolitik von beteiligten Ländern wie dem Vereinigten Königreich oder den Vereinigten Staaten zu verdanken, obwohl diese in der Vergangenheit in ihrer kolonialen Politik durchaus bemüht waren, die Sprache zu verbreiten. Mittlerweile scheint die Sprache diese treibende Kraft kaum noch zu benötigen. Der Brexit hat die Stellung des Englischen in der Europäischen Union zum Beispiel kaum beeinträchtigt, vielleicht sogar im Gegenteil. Da Irland und Malta Englisch als eine offizielle Sprache haben, konnte Englisch weiter funktionieren, und da es keine mächtigen Muttersprachler mehr gibt, wird die Sprache eher als ein neutrales Kommunikationsmittel angesehen. So wird auch eine stärkere isolationistische Politik der Vereinigten Staaten kaum Einfluss auf die Stellung des Englischen haben. Es gibt inzwischen so viele Nicht-Muttersprachler, die die Sprache täglich verwenden, dass die Sprache ihre eigene Anziehungskraft hat.
Es gibt natürlich viele Gründe, diese Entwicklung kritisch zu sehen. Was bedeutet diese Verbreitung des Englischen für andere Sprachen? Ist eine einsprachige Welt wirklich wünschenswert? Oder sogar eine Welt, in der jeder für internationale Kommunikation eine bestimmte Sprache verwendet, über die die Muttersprachler so oder so mehr Macht haben?
Das Seltsame ist nun, dass diese Diskussion eigentlich kaum international geführt wird. Generell wird so getan, als ob “Verenglischung” ein Phänomen ist, das sich nur in der eigenen Nation oder in der eigenen Sprachgemeinschaft ereignet, und die Diskussion wird in diesen Begriffen geführt: Wir Deutschen neigen immer dazu, alles aus Amerika zu übernehmen! Wir Italiener haben überhaupt keinen Widerstand gegen das Ausland! Und so weiter. Während das Phänomen, die Faszination für das Englische, eben ein internationales Phänomen ist.
Ich bin daher sehr erfreut, dass ich eingeladen wurde, hier in Leipzig etwas darüber zu erzählen, wie man in den Niederlanden das Englische sieht und wie die Diskussion hier verläuft.
Warum sind die Niederlande interessant?
Für Deutsche sind die Niederlande in diesem Zusammenhang sicherlich ein interessanter Fall. Die niederländische Kultur ähnelt in vielerlei Hinsicht natürlich der deutschen, ebenso wie die niederländische Sprache der deutschen ähnelt. Gleichzeitig gibt es eine Reihe relevanter Unterschiede:
Das Sprachgebiet ist kleiner: Zusammen haben die Niederlande, Flandern und Suriname etwa 22 Millionen Niederländischsprecher. Das ist deutlich weniger als beim Deutschen und natürlich vor allem weniger als beim Englischen. Übrigens konzentriere ich mich in diesem Vortrag fast ausschließlich auf die Niederlande. Die Situation in Flandern und Suriname ist eine ganz andere, und es wäre zu umfangreich, diese hier ebenfalls behandeln zu wollen.
Ein zweiter Unterschied ist, dass das Niederländische dem Englischen noch ähnlicher ist als Deutsch. Sprachwissenschaftler sagen, dass das Niederländische sprachlich “zwischen dem Deutschen und dem Englischen” liegt, es teilt Eigenschaften mit beiden und ist eine Art Übergangssprache. Damit ist das Niederländische eine der Sprachen, die dem Englischen am nächsten steht, obwohl es sich davon unterscheidet.
Ein dritter Unterschied ist, dass die Niederlande traditionell offene Gemeinschaften sind, die wirtschaftlich auf Seefahrt und Handel angewiesen sind und daher immer viel Kontakt mit Außenstehenden hatten. Die Niederländer hatten immer einen relativ guten Ruf, wenn es um das Erlernen fremder Sprachen ging. Tatsächlich haben sie immer ihr Bestes gegeben, um die Sprachen anderer zu lernen. Auch im niederländischen Kolonialismus war dies oft der Fall: Indonesien stand lange unter niederländischer Kolonialherrschaft, aber das bedeutet nicht, dass dort heute noch Niederländisch gesprochen wird. Das ist eine ganz andere Situation als die koloniale Politik Englands.
Insbesondere war die Niederlande immer relativ stark auf England ausgerichtet, das natürlich in der Nähe lag: man musste nur die Nordsee überqueren. Die beiden Länder haben in der Vergangenheit auch eine Reihe von Kriegen geführt, die oft aus Handelskonkurrenz entstanden, aber in vielen Perioden bestanden vor allem pragmatisch motivierte Kontakte.
All diese Faktoren zusammen haben dazu geführt, dass die Niederlande durchschnittlich gesehen wahrscheinlich etwas weiter fortgeschritten sind, was die Orientierung am Englischen betrifft. Wer daran interessiert ist, wohin es mit Deutschland geht, kann daher gut auf die Niederlande schauen.
Kurze Sprachgeschichte
Um die Situation gut zu verstehen, ist es ratsam, etwas mehr über die Geschichte der niederländischen Sprache zu verstehen, die eng mit dem Deutschen und dem Englischen verwandt ist, sich aber dennoch von beiden unterscheidet.
Dabei ist es wichtig zu erkennen, dass Unterscheidungen zwischen eng verwandten Sprachen immer etwas mit sozialer Geschichte und Politik zu tun haben. Wenn die Geschichte anders verlaufen wäre und die Niederlande im 16. Jahrhundert nicht beschlossen hätten, dass sie ein eigenes Land sein wollten und dass zu einem eigenen Land eine eigene Sprache gehörte, hätten wir das Niederländische heute möglicherweise als einen Dialekt des Deutschen angesehen.
Diese Karte zeigt etwas über die Situation, wie sie wahrscheinlich war war um das Jahr 580 n. Chr. Germanische Stämme hatten sich von einem Gebiet, wahrscheinlich im Norden Deutschlands und im Süden Dänemarks, über einen großen Teil des Kontinents ausgebreitet. Ihre Dialekte hatten sich im Laufe der Zeit auseinander entwickelt. Im Süden Deutschlands sprach man etwas, das letztendlich zum Hochdeutschen führen sollte. Im Norden Frankreichs lebten die Franken. Durch intensiven Kontakt zwischen ihrer germanischen Sprache und dem Volkslatein, das dort ebenfalls gesprochen wurde, entstand das Französische.
Aber am interessantesten ist die Position dessen, was heute die Niederlande ist. Dort trafen verschiedene germanische Stämme aufeinander, wie die Sachsen, die eine Sprache sprachen, die letztendlich auch die Grundlage des Niederdeutschen bilden würde, und die Friesen, die eine Sprache sprachen – und sprechen! – die relativ viel Ähnlichkeit mit der der Angelsachsen auf der anderen Seite hatte. Die Gruppe von Dialekten im Süden nennen wir „Altniederländisch“, weil sie die charakteristischsten Eigenschaften des Niederländischen bekommen würde. In diesem südlichen Gebiet würden die ersten großen Städte wie Maastricht, Brügge und Gent entstehen, die prägend sein würden.
Gleichzeitig war keine der hier gezogenen Grenzen vermutlich jemals fest. Es gab also immer Kontakt mit Sprechern des Sächsischen, aber vor allem auch mit denen des Englischen. Die Sprache, die wir heute als Niederländisch bezeichnen, entstand in dieser Beziehung. Das Niederländische hat also teilweise ähnliche Wurzeln wie das Englische, wenn auch mit verschiedenen anderen Einflüssen.
Das sehen Sie hier noch einmal. Verwandtschaften zwischen Sprachen werden oft in Baumstrukturen wie diesen dargestellt, die mit genealogischen Metaphern beschrieben werden, weil eine Sprache von einer anderen abstammt.
Mindestens genauso wichtig wie alle diese Abstammungen ist oft der Sprachkontakt: die gegenseitige Beeinflussung, die in einem Gebiet entsteht, wo viele Menschen verschiedene Sprachen sprechen, besonders wenn ein großer Teil dieser Menschen auch beide Sprachen spricht. Die Sprachen beeinflussen sich dann gegenseitig. Und so wissen wir, dass in der niederländischen Mischung das Friesische eine wichtige Rolle gespielt hat, wie umgekehrt das Niederländische einen großen Einfluss auf das Friesische hatte. Obwohl das Niederländische genealogisch vielleicht näher am Deutschen liegt, ähnelt es aufgrund des Sprachkontakts mehr dem Friesischen.
Ich habe hier der Vollständigkeit halber auch höhere Zweige des Baumes eingezeichnet. Andere germanische Stämme haben sich einst über Skandinavien verbreitet und ihre Dialekte haben letztendlich zu europäischen Sprachen wie Dänisch und Norwegisch geführt. Es gibt auch eine Gruppe ostgermanischer Sprachen, von denen keine mehr existiert, und das Gotische war der bekannteste Vertreter. Noch weitere Verwandte sind die slawischen Sprachen wie Ukrainisch oder Polnisch und romanische wie Französisch und Spanisch.
Wichtig zu beachten ist auch, dass das Englische selbst auch eine Sprache ist, die stark durch Sprachkontakt geprägt wurde. Obwohl es genealogisch eine westgermanische Sprache ist, hat es nachweislich viel Einfluss durch den Kontakt mit dem Französischen und mit der nordgermanischen Sprache der Normannen erfahren.
All dies ist nicht nur wichtig, um den historischen Kontext zu verstehen, sondern auch um zu erkennen, dass ‘reine’ Sprachen eigentlich nicht existieren. Soweit wir in der Geschichte zurückblicken können, wurden Sprachen immer von anderen Sprachen beeinflusst. Selbst das ‘Urgermanische’, das allen germanischen Sprachen zugrunde liegt, war selbst nachweislich das Ergebnis der Vermischung einer indoeuropäischen Sprache mit verschiedenen lokalen Sprachen. Und auch dieses Indoeuropäisch hatte wiederum verschiedene Einflüsse erfahren.
Wichtige Momente
Während des Mittelalters wurde in den Niederlanden ein Flickenteppich von Dialekten gesprochen. Bei der Abfassung offizieller Dokumente versuchte man zwar, die Schreibweise anderer Orte zu berücksichtigen, aber eine einheitliche Sprache gab es nicht.
Diese entstand erst am Ende des sechzehnten Jahrhunderts, als die Republik der Niederlande sich aus einer Mischung von politischen und religiösen Gründen von dem König in Spanien unabhängig erklärte. Die allgemeine Vorstellung war, dass ein Land eine eigene Sprache benötigte, und um diese Zeit begann man mit der Bildung dieser Sprache, indem man Wörterbücher und Grammatiken erstellte. Diese waren im Allgemeinen auf der Grundlage dessen, wie man in der Region Holland sprach, wo unter anderem Den Haag und Amsterdam lagen. Die holländischen Dialekte, die relativ stark vom Friesischen beeinflusst waren, bildeten also die Basis des heutigen Standardniederländisch.
Ein wichtiger Schritt war die ‘offizielle’ Bibelübersetzung, die Statenvertaling, so genannt, weil sie im Auftrag der ‘Staten-Generaal’, des höchsten Organs des neuen Staates, erstellt wurde. Diese Übersetzung war für das Niederländische mindestens ebenso wichtig wie die Übersetzung Luthers für das Deutsche, schon allein, weil sie in calvinistischen Familien jahrhundertelang bei jeder Mahlzeit vorgelesen wurde.
Die Bildung des niederländischen Staates wurde, wie bekannt, erst mit dem Frieden von Münster richtig formalisiert. Die Entwicklung der niederländischen Sprache ging dann noch eine Weile weiter. Besonders wichtig war die Arbeit von Grammatikern wie Huydecooper, die die Grammatik weiter formalisierten. Noch wichtiger war vielleicht, dass zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts die Grundschulbildung für fast alle Niederländer zugänglich wurde und dort Niederländisch unterrichtet wurde.
Mittlerweile sprechen fast alle Niederländer Niederländisch. Fast alle Friesen sind beispielsweise (mindestens) zweisprachig, ebenso wie Sprecher anderer Minderheitensprachen. (Die einzigen Ausnahmen sind Migranten und zwar vor allem – relevant für diese Geschichte – Expats aus hauptsächlich europäischen Ländern, die ihr Leben in Amsterdam oder anderen großen Städten überwiegend auf Englisch führen und Niederländisch nicht benötigen.
Einflüsse
Im Laufe dieser Geschichte hat das Niederländische verschiedene Einflüsse erfahren. In verschiedenen Zeiten zum Beispiel aus dem Lateinischen (Wörter wie wijn, kelder, secretaris) und seit dem Mittelalter auch aus dem Französischen (taart und krant ‘Zeitung’ von courant). Letzteres hatte bis sicherlich zum Beginn dieses Jahrhunderts den meisten Einfluss auf den Wortschatz: Nach einigen Schätzungen stammte ein Viertel der niederländischen Wörter aus dem Französischen. Sehr langsam, aber sicher beginnt das Englische dies nun einzuholen. Die Sprachwissenschaftlerin Nicoline van der Sijs stellte vor etwa einem Jahr jedenfalls fest, dass in niederländischen Zeitungen das Englisch langsam dominant wird als Quelle für Lehnwörter.
Darüber hinaus gibt es natürlich auch eine Sammlung von Wörtern aus anderen Sprachen. Einige davon stammen aus ehemaligen Kolonien oder beispielsweise aus dem Jiddischen, aber die meisten gehören zum sogenannten internationalen Wortschatz: Wörter, die in vielen Sprachen aus beispielsweise dem Japanischen (wie kimono) oder Arabischen (wie algebra) entlehnt sind.
Schließlich war auch das Deutsche eine wichtige Quelle für Lehnwörter.
Jedenfalls galt bis zum Zweiten Weltkrieg der Einfluss des Deutschen für einige als der gefährlichste. In den 1930er Jahren wurde zum Beispiel die Gesellschaft Onze Taal ‘Unsere Sprache’ gegründet. Darauf werde ich später noch zurückkommen. In den ersten Jahrgängen veröffentlichte diese Gesellschaft in ihrer eigenen Zeitschrift jeden Monat eine Liste von ‘Germanismen’: Wörtern, die man im Niederländischen nicht verwenden sollte, weil sie aus dem Deutschen stammen – oder stammen sollten.
Der Einfluss aus dem Deutschen ist heute in den Niederlanden kein Diskussionsthema mehr. Ich glaube auch nicht, dass aktiv noch viel aus dem Deutschen entlehnt wird. Eine der wenigen Ausnahmen ist das Präfix über-, aber selbst das kam vermutlich über den Umweg des amerikanischen Englisch ins Niederländische: übercool.
Generell kann man sagen, dass die europäischen Länder immer mehr mit dem Rücken zueinander stehen, besonders in kultureller Hinsicht. Ein Nebeneffekt der Verenglischung ist, dass jeder von uns immer mehr auf das englischsprachige Zentrum der Welt fokussiert wird und dass wir uns hauptsächlich durch das Spektrum dieses Zentrums sehen.
Meine Entscheidung, diesen Vortrag auf Deutsch zu halten, sollten Sie vor allem als einen stillen Protest gegen diese Entwicklung interpretieren. Normal wäre es in der modernen Zeit gewesen, Sie auf Englisch anzusprechen.
Der Fokus derer, die besorgt sind, richtet sich jetzt vollständig auf das Englische. Listen wie die von Onze Taal in den 1930er Jahren erstellten wurden nun durch Datenbanken ersetzt, in denen man nachschlagen kann, welches Wort man besser anstelle eines englischen Lehnworts verwenden sollte.
Nicht nur das Deutsche, sondern auch andere Sprachen spielen keine wichtige Rolle mehr im Diskurs. Wie in vielen Ländern finden wir in städtischen Kontexten Mischsprachen aus dem Niederländischen mit ethnischen Minderheitensprachen. Was auf Deutsch manchmal Kiezdeutsch genannt wird, heißt auf Niederländisch wohl straattaal, Strassensprache. Man hört zwar Sorgen über den Einfluss, den der Gebrauch dieser Straattaal auf die Sprachfähigkeit von Jugendlichen haben könnte, aber ich glaube nicht, dass diese Sorgen sehr hoch auf der Liste der meisten Menschen stehen, und auch nicht bei den meisten Sprachliebhabern.
Der offizielle Status
Wir haben nun nachgezeichnet, wie sich das Niederländische entwickelt hat. Die wichtigste Schlussfolgerung ist, dass diese Entwicklung immer im Kontext anderer Sprachen stattgefunden hat.
Jetzt ist es an der Zeit, uns genauer auf die Gegenwart zu konzentrieren. Dafür werde ich eine Reihe von Bereichen besprechen, wie die Wissenschaft, den Handel und die Kultur. Aber bevor ich das tun kann, ist es gut, zuerst noch etwas über den rechtlichen Rahmen zu sagen, in dem all dies geschieht. Was ist die Sprachpolitik des Königreichs der Niederlande?
Die Antwort auf diese Frage ist, dass hier, wie auch in Deutschland, eigentlich nicht so viel geregelt ist. Während ein Land wie Frankreich in Artikel 1 seiner Verfassung stolz verkündet, dass „die Sprache der Republik Französisch“ ist, fehlt ein solcher Artikel im niederländischen Gesetz. Das Gesetz ist jedoch (natürlich) ohne Ausnahme auf Niederländisch verfasst.
Das einzige wichtige Gesetz, das etwas über das Niederländische regelt, ist das Gesetz über das Hochschulwesen (Wet op het hoger onderwijs), dessen Anfang Sie hier sehen. In diesem Gesetz wird festgestellt, dass der Unterricht in den Niederlanden normalerweise auf Niederländisch sein muss. Gleichzeitig wird geregelt, dass auch Ausnahmen möglich sind. Wir werden gleich sehen, dass diese Ausnahmen von den Universitäten so weit gefasst wurden, dass ein Großteil der akademischen Bildung heute nicht auf Niederländisch, sondern auf Englisch stattfindet.
Ironischerweise ist also eines der Gebiete, in denen das Niederländische einen gesetzlichen Status hat, gleichzeitig eines der Gebiete, in denen die Sprache am meisten unter Druck steht.
Derzeit wird an einem neuen Gesetz gearbeitet. Auch darauf werde ich später zurückkommen.
Die Nederlandse Taalunie
Sehr wichtig für die niederländische Sprachpolitik ist die Nederlandse Taalunie. Dies ist eine internationale Vertragsorganisation, die Anfang der achtziger Jahre von den niederländischen und belgischen Regierungen gegründet wurde. Später kam Suriname dazu (und die Verantwortlichkeiten des föderalen Belgiens wurden von der Region Flandern übernommen).
Die Taalunie ist meines Wissens einzigartig in der Welt, eine Form der internationalen Zusammenarbeit, die viel weiter geht als beispielsweise in der Europäischen Union, wenn auch auf einem viel kleineren Politikfeld. Die Niederlande haben keine eigene Politik in Bezug auf Sprache und Literatur – all dies geht per Definition immer zusammen. Es geht dabei beispielsweise um Gesetze über die korrekte Schreibweise des Niederländischen, über den wichtigsten Literaturpreis im Sprachraum, aber vor allem auch um Subventionen für Lehrer des Niederländischen in beispielsweise Osteuropa.
Die einzige Ausnahme bildet das Bildungswesen, da die Bildungssysteme in den beteiligten Ländern sehr unterschiedlich sind.
Formell hat die Taalunie auch die Aufgabe, sich für die Position des Niederländischen in internationalen Gremien wie dem Europäischen Parlament oder den Vereinten Nationen einzusetzen. Mir ist nicht bekannt, dass hier viel Zeit aufgewendet wird oder dass es viele konkrete Aufgaben zu nennen gibt.
Die Aufgaben der Taalunie betreffen ausschließlich das Niederländische, insbesondere die Standardsprache. Lange wurde davon ausgegangen, dass diese Sprache in beiden Ländern genau dieselbe ist, aber in den letzten Jahren gibt es mehr Augenmerk auf Unterschiede in der Standardsprache zwischen den beiden Ländern.
Minderheitssprachen in den Niederlanden
Neben Niederländisch werden in den Niederlanden noch viele weitere Sprachen gesprochen. Für einige davon ist auch einiges geregelt.
Eine wichtige Rolle spielt dabei die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen. Insbesondere geht es hierbei um das Friesische. Als die Niederlande in den 1990er Jahren die Charta unterzeichneten, dachte man ausschließlich an das Friesische als eine Sprache, die Anerkennung erhalten würde. Diese Sprache hat diese Anerkennung auch erhalten, was bedeutet, dass die niederländische Zentralregierung sich für den Unterricht in der friesischen Sprache auf allen Ebenen, Sendungen des friesischen Rundfunks auf Friesisch usw. verantwortlich stellt.
Schnell kamen jedoch politische Bewegungen in Gang, um das sogenannte Nedersaksisch – eine Gruppe von Dialekten im Nordosten, die starke Ähnlichkeiten mit den plattdeutschen Dialekten auf der anderen Seite der Grenze aufweisen – und das Limburgische – die Gruppe von Dialekten um Maastricht, die ihrerseits wieder eine Verwandtschaft mit zum Beispiel dem Kölschen zeigen – ebenfalls als Sprache anerkannt zu bekommen. Diese Anerkennung hat jedoch hauptsächlich symbolische Bedeutung; das bedeutet ‘nach Teil II’. Die Maßnahmen, die in ‘Teil III’ der Charta stehen, gelten nicht, wie sie für das Friesische gelten. Auf die gleiche Weise wurden damals auch die nicht-regionalen Minderheitensprachen Jiddisch und Romanes anerkannt.
Das Friesische hatte auch vor der Charta bereits Anerkennung und gilt gesetzlich als ‘zweite Landessprache’. Nach jahrelanger Lobbyarbeit wurde vor einigen Jahren endlich auch die niederländische Gebärdensprache anerkannt.
Sprachen im Königreich
Schließlich: Die Niederlande sind größer als das europäische Land. Das Königreich der Niederlande umfasst derzeit noch immer eine Reihe von Inseln in der Karibik – die Niederländischen Antillen, die sich auf verschiedene Weise zu diesem Königreich verhalten. Einige sind unabhängige Länder innerhalb des Königreichs, andere eine Art Gemeinden der Niederlande.
Wie auch immer, dies bedeutet, dass es im niederländischen Staatsgefüge zwei weitere wichtige Sprachen gibt. Auf den südlichen Inseln ist das Papiamento oder Papiamentu, eine sogenannte Kreolsprache mit einer vorwiegend portugiesischen lexikalischen Basis, die die Muttersprache der meisten Bewohner dieser Inseln ist, für die das Niederländische jedoch eine schwierige Schulsprache ist. Auf den nördlichen Inseln St. Eustatius und Saba ist Englisch die wichtigste Sprache für die meisten Einwohner. Interessanterweise hat Englisch auf diese Weise auch einen ‘einheimischen’ Status im Königreich. Darüber hinaus ist auch auf den südlichen Inseln das Englische sehr wichtig, beispielsweise aufgrund der relativen geografischen Nähe zu den Vereinigten Staaten und der Anwesenheit amerikanischer Touristen auf diesen Inseln, für die der Tourismus eine wichtige Einnahmequelle ist.
Sprachkampf
Nachdem ich den rechtlichen und offiziellen Rahmen dargelegt habe, können wir uns nun auf die Hauptakteure in der Diskussion über das Englische in der niederländischen Gesellschaft konzentrieren. Wer spricht alles mit über die Wünschbarkeit des Gebrauchs welcher Sprache?
Onze Taal
Zunächst gibt es die Gesellschaft Onze Taal, die in den frühen dreißiger Jahren als eine Organisation gegründet wurde, die gegen den Einfluss des Deutschen kämpfte. Ich habe sie bereits erwähnt.
Diese Organisation besteht noch immer und ist mit etwa 20.000 Mitgliedern einer der größeren Vereine von sprachinteressierten Menschen in der Welt. Sie gibt eine Zeitschrift und Bücher heraus und gibt Ratschläge über korrekten Sprachgebrauch an Mitglieder und Nichtmitglieder. Es ist vergleichbar mit dem Verein Deutsche Sprache, allerdings ohne dass es jemals politische Unruhen um den Verein gab.
Der Verein hat schon vor Jahrzehnten die aktivistische Haltung aus den Anfängen verloren. Das Ziel ist jetzt, Menschen zu informieren und auch eine Plattform für Diskussionen über alle möglichen Standpunkte zu Sprachfragen zu bieten. Über die Verwendung von englischen Lehnwörtern hat der Verein keine eigene Meinung, aber es ist meiner Meinung nach gerechtfertigt zu sagen, dass viele Mitglieder eine ziemlich nuancierte Haltung zu solchen Fragen haben. Für einen harten Kampf gegen das Englische besteht sicherlich keine Begeisterung.
Andere Vereine
Neben Onze Taal gibt es noch einige kleinere Vereine von Sprachliebhabern. (Die Niederlande sind traditionell ein Land der Vereine sind, in dem sich Interessierte eines bestimmten Themas schnell in Vereinsform organisieren.)
An erster Stelle steht ein sehr aktiver Verein, Taalverdediging, der schon seit einigen Jahrzehnten besteht, aber nie mehr als einige Dutzend Mitglieder hatte. Ein etwas größerer Verein, der Erwähnung verdient, ist das Algemeen Nederlands Verbond, das zumindest aus dem Bestreben nach einer Vereinigung zwischen den Niederlanden und Flandern entstanden ist, aber heutzutage allgemein über Sprache und Kultur in den beiden Ländern informiert. Auch bei diesem Verein gibt es wenig systematische Aufmerksamkeit für den Kampf gegen das Niederländische.
Ich möchte hier auch De Taalstaat erwähnen, ein wöchentliches zweistündiges Radioprogramm über Sprache, das von dem sehr beliebten Moderator Frits Spits präsentiert wird und zu den am besten gehörten Radioprogrammen auf dem Nachrichtensender des niederländischen öffentlich-rechtlichen Rundfunks gehört. Auch der Ton dieses Programms ist im Allgemeinen positiv: es geht um interessante Sprachthemen. Das Programm hat keine aktivistische Ausrichtung, und soweit es eine hat, geht es um die Förderung der Aufmerksamkeit für das Niederländische, nicht um die Ablehnung des Englischen.
Ähnliches gilt auch für die anderen regulären Nachrichtenkanäle. Gelegentlich wird ein Kolumnist eine kritische Kolumne über die Verwendung des seiner Meinung nach unnötigen Englisch in den Medien schreiben, aber es gibt keine Autoren, die dies systematisch zu einem Diskussionsthema machen.
Politik
Ein letztes wichtiges Forum für diese Diskussion ist natürlich die Politik. Hier fallen besonders die christlichen Parteien durch ihre Aufmerksamkeit für die Sprache auf. Insbesondere die sogenannte ChristenUnie, eine relativ kleine Partei mit einer konstanten Präsenz im Parlament und in den letzten Jahren auch in der Regierung, strebt seit etwa 25 Jahren danach, das Niederländische in die Verfassung aufzunehmen.
Konkret möchte die Partei in der Verfassung verankern, dass die Regierung für das Niederländische verantwortlich ist. Sorgen um das Vordringen des Englischen im täglichen Leben sind Teil der Motivation für eine solche Maßnahme, aber bisher ist es nicht gelungen, eine solche Änderung durchzusetzen. Die christlichen und postchristlichen Parteien, die diese Maßnahme befürworten, besetzen derzeit etwa ein Drittel der Sitze im nationalen Parlament. Für eine Verfassungsänderung ist jedoch eine Zweidrittelmehrheit erforderlich.
Alle Parteien im Parlament sind sich jedoch mittlerweile einig über die Notwendigkeit, etwas gegen die Verenglischung des Hochschulwesens zu tun. Das bringt uns zum nächsten Thema.
Ausbildung
Bildung ist natürlich eines der sprachlichsten aller Bereiche des öffentlichen Lebens. Darüber hinaus bereitet die Bildung Kinder auf die Zukunft vor. Mit Entscheidungen im Bildungswesen zeigt ein Volk also auch, wie es die Zukunft sieht.
Ich habe bereits mehrmals angesprochen, dass die meisten Diskussionen über Sprachpolitik und Sprachpolitik sich daher um das Bildungswesen drehen.
Dies gilt insbesondere für das Hochschulwesen. Ich habe bereits erwähnt, dass das wichtigste Sprachgesetz das Gesetz über das Hochschulwesen ist und dass dieses Gesetz festlegt, dass der Unterricht an der Universität normalerweise auf Niederländisch stattfinden sollte. Dies hat nicht verhindern können, dass in den letzten Jahren der Anteil des Englischen im Unterricht enorm gestiegen ist.
Schätzungen zufolge sind derzeit etwa 90% der universitären Masterprogramme in den Niederlanden auf Englisch, ebenso wie eine große Anzahl von Bachelorprogrammen. Dies hat unter anderem mit der Internationalisierung der Bildung zu tun. Sicherlich nach dem Brexit wählten viele ausländische Studierende ein Programm in den Niederlanden, auch weil die Studienkosten in den Niederlanden relativ niedrig sind. Universitäten werden umgekehrt hauptsächlich auf der Grundlage der Anzahl der angezogenen Studierenden bezahlt und hatten daher keine Einwände gegen diesen Zustrom.
Kürzlich ist jedoch viel Kritik an dieser Praxis laut geworden. Ausländische Studierende haben große Schwierigkeiten, eine Unterkunft zu finden, und allgemein sind, wie Sie wissen, bei den jüngsten Wahlen Parteien an die Macht gekommen, die im Allgemeinen kritisch gegenüber Migration stehen, aus welchen Gründen auch immer.
Es ist nicht einfach, Studierenden aus der Europäischen Union zu verbieten, in ein europäischen Land zu reisen, um zu studieren. Sprachpolitik, Maßnahmen gegen das Englische, werden nun ergriffen, um diese Internationalisierung zu bekämpfen. Unter der berechtigten Annahme, dass ausländische Studierende kein Niederländisch lernen wollen,, ist eine strengere Überwachung des Verbots des Englischen ein Weg, diese Migration zu bekämpfen.
Soweit in den letzten Jahren Sprachaktivismus in den Niederlanden stattgefunden hat, konzentrierte er sich auf dieses Dossier. Sehr aktiv war der Verein Beter Onderwijs Nederland (BON), der in den letzten Jahren zum Beispiel Klagen gegen Universitäten eingereicht hat, um zu erzwingen, dass sie die Anzahl der BA- und MA-Programme in Englisch reduzieren. Diese Aktionen haben bisher offensichtlich noch nicht zu Änderungen in der Politik geführt.
Das variiert jedoch ein wenig von Universität zu Universität. Insbesondere die Technischen Universitäten sind fast vollständig englischsprachig. An meiner eigenen Radboud Universität ist das viel weniger der Fall. Dennoch sieht man auch bei uns eine deutliche Hinwendung zum Englischen. Wo deutsche Studierende aus der Region – wir befinden uns etwa 10 Kilometer von der Grenze entfernt – noch vor einigen Jahren an niederländischsprachigen Programmen teilnahmen, absolvieren die meisten von ihnen mittlerweile einen englischsprachigen Bachelor.
Der Unterricht in Englisch beschränkt sich nicht nur auf Universitäten und Hochschulen. Auch eine relativ große Anzahl von weiterführenden Schulen, insbesondere auf dem Niveau des Gymnasiums (vwo). Etwa ein Viertel dieser Schulen bietet mittlerweile sogenannten zweisprachigen Unterricht an, bei dem mindestens die Hälfte des Unterrichts in einer anderen Sprache gehalten wird – und das ist fast immer Englisch.
Im Jahr vor dem Abitur wechselt man wieder zum Niederländischen, da das Examen in den Niederlanden zu einem großen Teil landesweit geregelt wird und daher auf Niederländisch stattfindet. Die Schüler müssen also die richtige Terminologie erlernen, um das Examen ablegen zu können.
Der zweisprachige Unterricht ist insofern erfolgreich, als dass die Schüler tatsächlich besser Englisch sprechen als ihre Altersgenossen, die einen “normalen” Bildungsweg absolviert haben, während ihr Niederländisch nicht nachweislich schlechter ist.
In kleinerem Maßstab gibt es auch zweisprachigen Grundschulunterricht.
Eine Entwicklung über einen längeren Zeitraum ist, dass Englisch als unterrichtetes Fach immer prominenter geworden ist. Seit etwa 20 Jahren ist es, ebenso wie Niederländisch und Mathematik, faktisch verpflichtend für jeden niederländischen Jugendlichen, der das Abitur macht. Es ist auch ein Fach, das an einer großen Anzahl von Grundschulen unterrichtet wird, obwohl ich hier sagen muss, dass ich keine verlässlichen Zahlen finden konnte.
Eine wichtige Konsequenz dieser Entwicklung scheint zu sein, dass der Status anderer Fremdsprachen abnimmt. Formell gibt es in den Niederlanden drei Fremdsprachen in der Schule: Englisch, Deutsch und Französisch. Darüber hinaus dürfen Schulen auch andere Sprachen wie Chinesisch oder Arabisch anbieten, aber davon wird nur marginal Gebrauch gemacht.
Der Status von Deutsch und Französisch steht in den letzten Jahren stark unter Druck. Die Vorstellung ist immer mehr, dass man diese Sprachen nicht braucht, weil sowieso jeder Englisch spricht. Die Studiengänge sind seit einigen Jahren erschreckend unbeliebt: Es gibt viel mehr Studenten, die Niederländisch lernen in Deutschland als umgekehrt. Die Folge davon ist, dass es immer weniger gute Lehrkräfte für Französisch und Deutsch gibt. Einige Schulen haben daher bereits begonnen, diese Fächer nicht mehr anzubieten. Auf diese Weise befinden wir uns in einem Teufelskreis: Es gibt noch weniger Lehrkräfte und die beiden Sprachen werden immer unbeliebter.
Ich betrachte dies selbst als eines der schwerwiegendsten Probleme, die durch den Aufstieg des Englischen verursacht werden. Es ist bekannt, dass in angelsächsischen Ländern der Unterricht in Fremdsprachen seit Jahren stark unter Druck steht. Man kann ja überall mit Englisch zurechtkommen. Die Niederlande gehen jetzt in dieselbe Richtung, mit dem einzigen Unterschied, dass Niederländer vorerst neben Englisch auch Niederländisch sprechen.
Das Niederländische selbst ist noch nicht in Gefahr, jedenfalls nicht als Schulfach. Ich glaube nicht, dass jemand dafür plädiert, dieses Fach abzuschaffen.
Gesellschaft und Wirtschaft
Die Welt der Sprache ist größer als die Bildung. Auch in anderen Lebensbereichen werden Sprachentscheidungen getroffen, und auch diese Entscheidungen haben politische Konsequenzen.
Die Niederlande sind ein kleines Land, aber es hat ein großes städtisches Gebiet, und wegen der Lage dieses Gebietes und eines günstigen Steuerklimas für multinationale Unternehmen haben sich in diesem städtischen Gebiet relativ viele große internationale Unternehmen angesiedelt, deren Geschäftssprache Englisch ist. In Kombination mit dem bereits besprochenen Zustrom ausländischer Studierender hat dies zu einer relativ großen Schicht von Expats und anderen hochgebildeten Ausländern geführt, die in einigen Fällen keine Notwendigkeit sehen, Niederländisch zu lernen – sie können einen großen Teil ihres Lebens auf Englisch führen und für die verbleibenden kleinen Teile – wie den Kontakt mit einigen Behörden – Hilfe in Anspruch nehmen. Es ist tatsächlich so, dass in den Städten fast jeder zumindest ein wenig Englisch spricht.
Die Niederländer sind außerdem dafür bekannt, dass sie ihre eigene Sprache nicht gerne mit Anderssprachigen sprechen. Es gibt viele Beschwerden von Ausländern, die Niederländisch lernen wollten, aber dies nicht schafften, weil Niederländer beim ersten Anzeichen von Anderssprachigkeit auf Englisch umschalten.
Im Jahr 2018 veröffentlichte die britische Sprachwissenschaftlerin Allison Edwards, die in den Niederlanden lebt, zusammen mit Robert Fuchs eine Studie über die Einstellung von Niederländern und Deutschen zu ihrer eigenen Sprache und zum Deutschen.
Das ist zwar schon 6 Jahre her, aber es ist die aktuellste Studie, die wir haben, und vermutlich hat sich die Situation in den letzten Jahren nicht wesentlich verändert.
Aus der Studie geht hervor, dass Niederländer viel positiver über ihre Englischkenntnisse denken als Deutsche: Während von den Ersteren etwa 90% glauben, ein Gespräch auf Englisch führen zu können, gilt das in der zweiten Gruppe nur für etwa 55%. Die Niederländer waren vermutlich etwas optimistisch in Bezug auf ihre eigenen Fähigkeiten: 90% der Niederländer glaubten auch, dass ihr eigenes Englisch besser sei als das der meisten ihrer Landsleute, was statistisch unmöglich ist.
Gleichzeitig ist laut verschiedenen Messungen das durchschnittliche Englischwissen der Niederländer sehr hoch: Laut verschiedenen internationalen Indizes stehen sie an der Spitze der Liste der Länder, in denen Englisch keine Muttersprache ist. Nur die skandinavischen Länder sind manchmal besser. Deutschland steht in solchen Listen auch relativ hoch, aber eher am Ende der Top-10.
Wie aus der hier abgebildeten Tabelle hervorgeht, unterscheiden sich Deutsche und Niederländer nicht stark in ihrer Einstellung zum Gebrauch des Englischen. Beide Gruppen bevorzugen es beispielsweise, ihre eigene Sprache zu verwenden. Das ist auch meine Erfahrung, auch mit jungen Menschen in den Niederlanden. Sie sprechen alle fließend Englisch und verwenden manchmal viele englische Lehnwörter, aber es gibt nur sehr wenige, die untereinander nur Englisch sprechen, und ihre Altersgenossen sehen dies manchmal etwas seltsam an.
Ähnliches gilt auch für diese Tabelle über den Status des Englischen: Sowohl Niederländer als auch Deutsche erkennen die Bedeutung von Mehrsprachigkeit an und sehen das Wissen der „eigenen“ Sprache im „eigenen“ Land als wichtiger an als das Wissen des Englischen. Man ist ziemlich neutral bezüglich der Frage, ob das Englische die eigene Sprache bereichert, aber auch umgekehrt bezüglich der Frage, ob die Sprache eine Bedrohung für die eigene Sprache darstellt.
Das erscheinen mir als recht realistische Einschätzungen der tatsächlichen Situation, und ich stimme dem auch zu.
Ein interessantes Projekt, das die Taalunie vor etwa zehn Jahren ins Leben gerufen hat, ist der „Staat van het Nederlands“, eine Untersuchung, die alle zwei Jahre wiederholt wird und die aktuelle Sprachsituation untersucht. Da diese Untersuchung regelmäßig wiederholt wird, kann man auch Veränderungen erkennen, die sich ergeben haben.
Zudem gibt es jedes Mal Raum für spezifische Fragen, beispielsweise zum Sprachgebrauch in sozialen Medien. Bisher zeigt die Untersuchung immer ein ähnliches Bild: Niederländer sind relativ stolz auf ihr eigenes Englisch und eher kritisch gegenüber dem Englisch anderer. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie geneigt sind, das Niederländische ganz aufzugeben.
Auch dies scheint mir insgesamt eine vernünftige Art und Weise zu sein, mit der Sprache umzugehen. Wir wissen, dass der Mensch – auch ohne besonderes sprachliches Talent – in der Regel mehr als eine Sprache im Leben bewältigen kann. Die Vorstellung, dass dies nicht möglich ist, dass ein Mensch nur eine Sprache sprechen kann, ist ein Erbe aus dem 19. Jahrhundert. Weltweit und durch die gesamte Weltgeschichte hindurch sprachen Menschen mehrere Sprachen. Es gibt sogar einige sprachwissenschaftliche Beweise dafür, dass Mehrsprachigkeit gesund ist und beispielsweise helfen kann, Alzheimer etwas zu verzögern. Wenn die Niederlande oder Deutschland zu zweisprachigen Ländern würden, sehe ich darin also nicht unbedingt ein Problem. Das Hauptproblem sehe ich, ich sage es noch einmal, vor allem in der Tatsache, dass es nur zwei Sprachen sind. Ich betrachte Kenntnisse einiger europäischer Sprachen als ein großes Gut für den europäischen Bürger, und es wäre schade, wenn dies aufgegeben würde.
Leider ist die Kenntnis fremder Sprachen und deren Entwicklung noch nicht gut erforscht, es gibt kein ‘Staat van de vreemde talen’. .
Ein interessantes Forschungsgebiet der Sprachwissenschaft ist das sogenannte „linguistic landscape“, bei dem der Forscher in einer Stadt untersucht, welche Sprachen dort in der Öffentlichkeit gesprochen und verwendet werden: Was steht auf Werbetafeln, Ankündigungen und anderen Texten, die jeder sehen kann? Die Forscherin Loulou Edelman promovierte 2010 mit einer Dissertation über die sprachliche Landschaft von Amsterdam und Leeuwarden; letzteres ist die Hauptstadt der Provinz Fryslân wo friesisch gesprochen wird. Edelam stellte fest, dass schon damals relativ viel Englisch verwendet wurde. In Amsterdam war es sicher die zweite Sprache und viel gebräuchlicher als beispielsweise Französisch, Deutsch oder Türkisch.
Dennoch gab es auch Einschränkungen: Slogans und dergleichen waren oft auf Englisch, aber informativere Texte doch oft auf Niederländisch. Es wäre sehr interessant, wenn diese Art von Untersuchung einmal wiederholt würde, es sind mittlerweile fast 15 Jahre vergangen, und insbesondere Amsterdam hat in dieser Zeit einen großen Zustrom an Touristen erlebt, wobei die Covid-Krise nur eine vorübergehende Pause zu sein scheint. Generell scheint Amsterdam die Stadt in den Niederlande zu sein, in der das Englische die größte Rolle spielt, auch weil die Zahl der Expats dort größer ist als anderswo.
Eine besondere sprachliche Landschaft mit symbolischem Wert finden wir auf Schiphol, dem Amsterdamer Flughafen, dem nationalen Flughafen der Niederlande. Jahrelang war die Situation dort wie hier dargestellt, nämlich mit allen Arten von Hinweisen, die ausschließlich auf Englisch gegeben wurden. Ich denke, es wurde über kein anderes Sprachthema so viel gestritten wie darüber. Natürlich ist es eine sehr sichtbare Form, und ehrlich gesagt ist es auch nicht ganz klar, warum das Niederländische keinen Platz auf den Schildern finden konnte.
Ich kann nicht herausfinden, ob es auf Schiphol eine offizielle Politikänderung gegeben hat, aber jetzt ist oft auch niederländischer Text auf den Schildern zu finden.
Es ist jedenfalls wirklich eine symbolische Frage. Einerseits ist niederländischer Text funktional nicht notwendig. Soweit es Niederländer gibt, die die einfachen Anweisungen auf den Schildern auf Schiphol nicht verstehen, werden sie wahrscheinlich nicht oft internationale Flugreisen machen. Andererseits wird der ausländische Reisende auch nicht wirklich hoffnungslos verwirrt sein von einer Anweisung, die auch auf Niederländisch gegeben wird.
Medien und Kultur
Ein drittes Gebiet, das wir besprechen müssen, ist das der Medien und Kultur. Insbesondere die Popkultur wird natürlich schon lange von hauptsächlich amerikanischen Produkten dominiert: Filmen aus Hollywood, Popmusik aus ganz Amerika. Auch kontinentaleuropäische Künstler singen ihr eigenes Werk oft auch auf Englisch. Laut dem Amsterdamer Soziologen Abram de Swaan ist Englisch seit den 1940er Jahren weltweit “die Sprache der Macht, gekleidet in das Kostüm der Unterhaltung”.
Eine Folge davon ist, dass es weltweit eine große Vertrautheit mit allen möglichen Aspekten der amerikanischen Kultur gibt, die auch in das tägliche Leben eindringt. In den letzten zwanzig Jahren (schätze ich) ist Halloween in den Niederlanden beispielsweise ein beliebtes Fest geworden. Als ich Kind war, wurde es meines Wissens nie gefeiert. Ein anderes Beispiel, aus derselben Jahreszeit, ist der Black Friday, ein Tag, an dem man allerlei Sachen billiger kaufen kann. Soweit ich weiß, war die ursprüngliche Idee, dass die Geschäfte in Amerika nach Thanksgiving den Ausverkauf hielten. In Europa wird Thanksgiving nicht gefeiert, aber Black Friday schon. In den Niederlanden ist das besonders kurios, weil Sinterklaas am 5. Dezember ein großes Fest ist, an dem man sich gegenseitig Geschenke macht. Black Friday geht dem Sinterklaasfest jedoch voraus.
In der Popmusik hat sich in den letzten Jahren das merkwürdige Phänomen entwickelt, dass niederländische Musik jetzt beliebter ist als in den vergangenen Jahrzehnten. Hier sehen Sie ein Bild der aktuellsten Top-40, traditionell eine Liste, die Einblick in Kauf- und Streamingverhalten gibt. Man sieht nicht sofort, dass das Niederländische einen großen Anteil hat, aber sicherlich scheint es in den letzten Jahren mehr niederländische Musik zu geben.
Ich kann hier nur eine Erklärung geben, die ich kürzlich gelesen habe. Diese weist darauf hin, dass die letzte Periode des relativen Erfolgs niederländischer Musik in den 1980er Jahren lag. Dies war, wie jetzt, eine Zeit, in der es relativ viel Pessimismus über die Zukunft gab, insbesondere unter der Jugend – damals wie heute die wichtigsten Konsumenten von Popmusik. Die Erklärung lautet, dass in solchen düsteren Zeiten die Menschen mehr Trost benötigen und diesen leichter in Musik in ihrer eigenen Sprache finden.
Wie gesagt, das Phänomen ist marginal. Die ,Top-40’ wird sowieso von ausländischen, internationalen Künstlern dominiert, die meistens in der angelsächsischen Welt geboren sind, insbesondere in Amerika. Auch niederländische Künstler singen oft auf Englisch. Aber wenn die Erklärung dieser Korrelation mit schwierigen Zeiten zutrifft, zeigt dies vielleicht auch, dass Niederländisch immer noch die Sprache ist, zu der man für tiefere Gefühle greift, die Sprache, die am nächsten liegt.
Ähnliches könnte man vielleicht auch über Spielfilme sagen. Hier sehen Sie die Liste der beliebtesten Filme in Utrecht, meinem Wohnort, dieser Woche. Die Mehrheit der Filme ist, wie Sie sehen können, auf Englisch und in Hollywood produziert.
Aber es gibt auch zwei niederländischsprachige Filme in der Liste. Bei einem von ihnen ist das nicht zu erkennen: Bon bini. Bangkok nights, Teil einer Serie von Bon bini Filmen, die ganz auf Niederländisch sind (mit einigen Beiträgen in anderen Sprachen in den Dialogen: Bon bini ist Papiamento). Mir sind keine großen Publikumsfilme bekannt, die in den Niederlanden produziert und für ein niederländisches Publikum bestimmt sind, aber auf Englisch gedreht werden. Englischsprachige Filme zielen im Allgemeinen darauf ab, ein internationales Publikum zu erreichen, ob erfolgreich oder nicht.
Dass der Titel Bangkok Nights auf Englisch ist, ist nicht ganz untypisch. Hier gilt ein bisschen das, was wir schon bei den sprachlichen Landschaften gesehen haben. Der Titel ist ein Aushängeschild, das etwas von der Atmosphäre zeigen soll. Diese Atmosphäre ist im Fall von Bon bini international.
Ähnliches sehen wir bei den Titeln von beispielsweise Netflix-Serien. Ich glaube, das ist in Deutschland nicht anders. Skandinavische Serien haben oft auch, selbst wenn sie ins Niederländische übersetzt sind, einen englischen Namen. Die dänisch-schwedische Serie Broen heißt in den Niederlanden beispielsweise The Bridge und nicht De Brug. Die Tatsache, dass es hier um eine internationale Atmosphäre geht, ist wahrscheinlich für diese Wahl verantwortlich.
Zum Schluss möchte ich noch etwas über den Buchmarkt sagen, nicht zuletzt, weil dieser Vortrag im Vorfeld der Buchmesse stattfindet.
Im vergangenen Jahr wurde bekannt, dass der Anstieg des Verkaufs englischsprachiger Bücher allein für einen leichten Anstieg des niederländischen Buchmarktes verantwortlich war. Wenn man nur den Verkauf niederländischsprachiger Bücher betrachtete, schrumpfte dieser Markt tatsächlich. Dies betraf insbesondere die sogenannte Young Adult-Literatur. Niederländische Jugendliche lesen immer weniger Niederländisch und immer mehr Englisch. In der begrenzten Forschung, die dazu vorliegt, geben sie verschiedene Gründe an. Einige sagen zum Beispiel, dass sie lieber den Originaltext lesen als eine Übersetzung. Andere nennen auch wirtschaftliche Gründe: Übersetzungen sind in der Regel teurer als das Original.
Einige große niederländische Verlage gaben ungefähr zur gleichen Zeit bekannt, dass sie fortan auch englischsprachige Bücher veröffentlichen würden. Bislang geschieht dies in begrenztem Umfang, und soweit ich sehen kann, vor allem mit Titeln von nicht-niederländischen Autoren. Mir sind keine Beispiele von erfolgreichen niederländischen Autoren bekannt, die auf Englisch veröffentlichen. Aber es scheint mir ein signifikanter neuer Schritt in einer Entwicklung zu einer noch stärkeren Stellung des Englischen zu sein.
Allgemeine politische Überlegungen
Zum Schluss möchte ich einige allgemeine sprachpolitische Überlegungen anstellen. Es scheint mir klar, dass es in den Niederlanden an verschiedenen Punkten eine Aufwertung des Englischen gibt und dass dies geschieht, ohne dass viel darüber diskutiert wird.
Es gibt verschiedene Aspekte, unter denen wir diese Entwicklung bewerten können. Ich habe bereits erwähnt, dass die Entwicklung zu einer zweisprachigen Wissenschaft nach heutigem Wissen nicht schlecht ist: Gesellschaften und Individuen können mit Mehrsprachigkeit umgehen, und es gibt sogar Anzeichen dafür, dass es für eine Person gesund ist, mehr als eine Sprache zu beherrschen.
Die Bedenken hierbei sind jedoch, dass der Vormarsch des Englischen andererseits anscheinend zu einer Verarmung des Wissens über andere Sprachen führt, dass die Niederlande von einer mehrsprachigen zu einer zweisprachigen Gesellschaft werden könnten.
Ein weiterer Schritt könnte sein, dass Englisch so dominant wird, dass es Niederländisch vollständig ersetzt. Meiner Meinung nach sind wir noch lange nicht so weit, aber es ist definitiv wichtig, dies im Auge zu behalten.
Eine noch wichtigere Frage ist natürlich: Warum Englisch? Was bedeutet es, dass dies die Sprache ist, die weltweit und somit auch in den Niederlanden ihren Vormarsch macht? Warum sollte gerade diese Sprache überall im öffentlichen Leben dominant werden?
Alternativlösungen
Die Diskussion über diese letzte Frage wird in den Niederlanden oder in Deutschland kaum ernsthaft geführt. Das Englische ist einfach etwas, das uns widerfährt.
Dennoch ist es sinnvoll, über mögliche Alternativen nachzudenken, zum Beispiel im Kontext der Europäischen Union. So wirft der Aufstieg der künstlichen Intelligenz die Frage auf, ob Menschen nicht schon in einigen Jahrzehnten alle mit einem kleinen Computer in ihrem Ohr ausgestattet sein könnten, der alles wiederholt, was der andere sagt, aber in der eigenen Sprache des Zuhörers. Mit einem solchen Ohrhörer könnten wir dann mit der ganzen Welt sprechen, während jeder einsprachig blieb. Ich halte meinen Vortrag hier auf Niederländisch, Sie hören ihn in Echtzeit in jeder beliebigen Sprache Ihrer Wahl. Eine solche Entwicklung ist meiner Meinung nach eine der wenigen, die den Aufstieg des Englischen noch stoppen könnte, bringt aber natürlich ihre eigenen Probleme mit sich.
Zweitens könnte die Politik endlich umgesetzt werden, die die EU jahrelang befürwortet hat: Jeder Bürger lernt zwei Sprachen, von denen mindestens eine eine Nachbarsprache ist. So entsteht ein Flickenteppich von Sprachen. Jeder kann mit den Nachbarn sprechen, die wiederum mit ihren Nachbarn sprechen können. In der Praxis gibt es zwei Probleme. Erstens wählt in der heutigen Welt fast jeder als eine der beiden Sprachen Englisch, wodurch die zweite Sprache gewissermaßen überflüssig wird. Zweitens sehen viele Menschen das Erlernen einer zweiten Sprache als zu große Investition.
Eine dritte Möglichkeit ist das „passive Sprachverstehen“: Menschen lernen, eine Vielzahl von Sprachen passiv zu verstehen. In Gesprächen kann jeder seine eigene Sprache sprechen, oder zumindest eine „leichtere“ Sprache, weil die Gesprächspartner sie sowieso verstehen können. Sie antworten in ihrer eigenen Sprache. Auch hier bleibt das Problem bestehen, dass Menschen auch außerhalb der EU kommunizieren wollen, und das ist mit dieser Strategie fast unmöglich. Englisch behält also seine Position.
Eine letzte Möglichkeit ist, das Englische durch eine „gerechtere“ Alternative zu ersetzen: eine Sprache, die jeder lernen muss, wie Latein oder Esperanto. Ich bin selbst Vorsitzender des Verbands Esperanto Nederland und daher sehr an dieser Alternative interessiert. Aber es ist klar, dass dies ein mühsamer Kampf ist, ein Kampf, von dem viele Menschen überzeugt werden müssen. Das geht über den Rahmen dieses Vortrags hinaus.
Englisch oder Mehrsprachigkeit
Es wäre auf jeden Fall gut, wenn diese Debatte geführt würde – und wenn sie international geführt würde, zumindest im europäischen Raum. Wie gehen Universitäten in ganz Europa mit der zunehmenden Nachfrage nach englischsprachigen Studiengängen um? Mit einem internationalen Geschäftsumfeld, das es seinen Mitarbeitern erlaubt, sich in Ländern niederzulassen, in denen sie kaum mit der lokalen Bevölkerung interagieren müssen? Was sind überhaupt die sprachlichen Konsequenzen des freien Personenverkehrs innerhalb der Union? Wir können dies dem freien Spiel der gesellschaftlichen Kräfte überlassen, aber dann werden wir wahrscheinlich auf eine zunehmende Rolle des Englischen hinauslaufen. Vielleicht ist das auch das wünschenswerteste Ergebnis, aber es ist dennoch nicht gut, dies ohne Austausch von Argumenten zu akzeptieren.
Diese Diskussion wird zwar auch innerhalb der europäischen Länder geführt, aber es werden auf beiden Seiten interessante Argumente vorgebracht. Befürworter des Englischen innerhalb der Europäischen Union nennen beispielsweise Pragmatismus (Englisch ist bereits die de facto-Sprache), die Tatsache, dass Englisch (armen) Menschen Mobilitätschancen und damit die Möglichkeit bietet, von den Vorteilen der EU zu profitieren, die Möglichkeiten, die die Sprache für die Entwicklung eines „öffentlichen Raums“ bietet, in dem Bürger auch untereinander über politische Fragen und ihre Lösungen kommunizieren können; die Tatsache, dass in Europa viel mehr Sprachen gesprochen werden als die 24 offiziellen, so dass jede Politik, die auf diesen 24 basiert, immer noch nicht fair ist für Sprecher von Minderheitensprachen, und die Tatsache, dass eine einsprachige Lösung auf institutioneller Ebene relativ kostengünstig ist.
Befürworter der Mehrsprachigkeit und Gegner einer einsprachigen englischen Union halten dagegen, dass ein Teil des europäischen Reichtums der Reichtum an Weltanschauungen ist, dass es demokratischer ist, nicht eine Sprache anzunehmen und so die Muttersprachler zu bevorzugen, dass der Gebrauch „eigener“ Sprachen ein Instrument ist, um die Bevölkerung nicht weiter von den europäischen Institutionen zu entfremden, Widerstand gegen die als kulturellen Imperialismus empfundene Dominanz des Englischen, und gegen die Forderung, dass jeder Englisch lernen muss, auch diejenigen, deren Talente woanders liegen.
Philippe Van Parys
Einer der interessantesten Denker im Bereich der Sprachpolitik ist der Belgier Philippe Van Parys, der ein Befürworter des Englischen ist, aber auch die Argumente der Gegner ernst nimmt. Das wichtigste Argument für das Englische ist für ihn, dass Europa einen öffentlichen Raum für den Austausch von Ideen zwischen Bürgern braucht. Englisch bietet dafür die beste Hoffnung.
Gleichzeitig erkennt Van Parys an, dass es etwas grundsätzlich undemokratisches darin gibt, Anforderungen an die Teilnahme an dieser Debatte zu stellen. Insbesondere gilt dies für arme Länder, die in englische Schulen für ihre Bürger investieren sollten. Van Parys schlägt vor, dass die Kosten dafür von reichen englischsprachigen Ländern wie dem Vereinigten Königreich, den Vereinigten Staaten und Australien getragen werden sollten. Überall auf der Welt sollte es gute Einrichtungen geben, um Englisch gut zu lernen, und zum Beispiel auch um sicherzustellen, dass englischsprachiges Fernsehen auf Englisch ausgestrahlt wird, mit Untertiteln.
Abschluss
Damit komme ich zum Ende meines Vortrags. Wir haben gesehen, dass in den Niederlanden eine ähnliche Diskussion über das Englische geführt wird wie in Deutschland, obwohl die Niederlande vielleicht etwas weiter auf dem Weg der Verenglischung sind. Deutschland ist andererseits wieder weiter auf diesem Weg als viele andere europäische Länder.
Meine eigene größte Sorge dabei ist, dass das Englische andere Fremdsprachen, wie in den Niederlanden Deutsch und Französisch, verdrängt, und dass die Niederländer zweisprachig zu werden drohen: Niederländisch für die Kommunikation mit anderen Niederländern (und Flamen) und Englisch mit dem Rest der Welt.
Außerdem mache ich mir Sorgen über den Mangel an ernsthafter Debatte über das Thema, einen Austausch von Argumenten. Wie auch immer wir dazu stehen, wir sollten das Englische nicht einfach als gegeben akzeptieren. Alternativen sind durchaus möglich – selbst wenn wir letztendlich dem Englischen den Vorzug geben würden.
Wie auch immer all dies sein mag, wir sehen weltweit, dass das Englische in den Niederlanden immer einflussreicher wird. Das passiert nicht blitzschnell, aber doch stetig. Die Niederlande stehen damit nicht allein, wir finden einen ähnlichen Prozess auf der ganzen Welt.
Dass darüber keine Diskussion geführt wird, bedauere ich zwar, aber es ist auch eine Tatsache.
Gleichzeitig gibt es keinen Grund zu der Annahme, dass das Niederländische bald aufhören wird zu existieren. Auch die jüngste Generation spricht noch Niederländisch, also werden solange wir leben Menschen geben, die diese Sprache kennen und vermutlich im täglichen Leben noch verwenden.
Katja Zaich zegt
Mooie en informatieve tekst! Wat ik een beetje mis, is het culturele aspect van taal. Als we allemaal Engels met elkaar spreken, dan is dit een communicatietaal die iedereen met zijn eigen cultuur zal inkleuren. Het Engelse werkwoord ‘must’ zal zeker door Nederlanders en Duitsers niet op dezelfde wijzen worden gebruikt … Een taal leren betekent ook over cultuur leren.