Die niederländische Sprache hat den Ausdruck “van lieverlee”. In meinem Niederländisch bedeutet dies “gelassen”, “widerwillig”: wer etwas “van lieverlee” tut, hätte lieber etwas anderes getan, sah jedoch keine Möglichkeit dazu.
Merkwürdig ist, dass ich kein Wörterbuch habe finden können, das diese Bedeutung verzeichnet. In allen Wörterbüchern wird die Bedeutung “allmählich” verzeichnet und auch die Bedeutung “letztendlich” findet man häufig. Doch ist “van lieverlee” in der Bedeutung “gelassen” keine Merkwürdigkeit der Familie Wolf. Wenn ich es google, finde ich es viel öfter in “meiner” Bedeutung als mit den Wörterbuchbedeutungen.
Die Wörterbücher sind sich unsicher, wo der Ausdruck herkommt. Vielleicht kann das Saterfriesische hier jedoch Aushilfe bieten. Laut den Wörterbüchern von Pyt Kramer und Marron Fort hat das Saterfriesische nämlich mehrere Varianten, darunter: “mäd Läiveloa” en “läiweloang”. Das erinnert mich an “silläärge nit”, die komplizierte, saterfriesische Weise “nie” zu sagen. “Silläärge” kommt aus dem Plattdeutschen und bildet ein zusammengeschrumpftes “sien Leven”. “Silläärge nit” ist also “sein Leben nicht”, etwa “nicht während der Lebenszeit”.
“Lieverlee” könnte auch etwas mit Leben zu tun haben. “Läiweloang” ist dem plattdeutschen “Leven lang” recht ähnlich. Älteres Niederländisch hatte auch “lieverla” statt “lieverlee”, also mit dem Vokal von “lang”. “Leben lang” steht von der Bedeutung her nicht allzu weit von “allmählich” ab: mit dem Verstreichen der Lebenszeit ist ungefähr “mit der Zeit”, was man statt “allmählich” auch sagen kann.
Wie “van lieverlee” auf Niederländisch dann die Bedeutung “gelassen” erhalten hat und wieso die Wörterbüchmacher diese Bedeutungsentwicklung übersehen haben, bleibt ein Rätsel. Dies passiert jedoch öfter: “minzaam” bedeutet laut den Wörterbüchern “freundlich”, aber die Niederländer, die ich gefragt habe, verwenden es in großer Mehrheit in der fast entgegengesetzten Bedeutung “herablassend”.
Earder ferskynd yn de General-Anzeiger
Christopher Bergmann zegt
›Gelassen‹ und ›widerwillig‹ sind ja ziemlich unterschiedliche Bedeutungen, ich würde fast sagen: gegensätzlich. Mich würden Beispielsätze interessieren, in denen die Formulierung in dieser Bedeutung vorkommt. Ich habe gerade mal bei delpher.nl gesucht und spontan folgendes Beispiel gefunden, für das die Bedeutung ›widerwillig‹ passen könnte: »En vervolgens maakten de nazi’s het leven van Erich zuur door hem zijn joodse afkomst te verwijten. Korngold vertrok van lieverlee naar Amerika.« (https://resolver.kb.nl/resolve?urn=ABCDDD:010841817:mpeg21:a0093) Oder wäre das eher die Bedeutung ›letztendlich‹, die ja auch in einigen Wörterbüchern angegeben wird?
Womöglich ist das ein Grund, warum die Bedeutungen so durcheinander gehen: dass man sie im konkreten Satz oft nicht mit Sicherheit voneinander trennen kann. Wer etwas allmählich/mit der Zeit tut, tut es letztendlich und in einigen Fällen eher widerwillig (sonst wäre es ja nicht allmählich, sondern direkt passiert). Wie passt ›gelassen‹ dazwischen? Vielleicht so, dass etwas, das allmählich passiert, den Eindruck wecken kann, dass es gelassen passiert (weil es keine hastige Veränderung ist, sondern ein langsamer Prozess). Aber da würde mich in der Tat mal ein Beispielsatz interessieren.
Ad Welschen zegt
Een merkwaardig geval, Henk. ‘Van lieverlee’ roept bij mij onmiddellijk twee boektitels op: Mensje van Keulen: ’Van lieverlede’ en Marnix Gijsen: ‘Allengs, gelijk de spin’.
De speciale betekenissen die jij hier beschrijft zijn mij geheel vreemd. Standaard-betekenissen zijn: ”langzamerhand, gaandeweg, geleidelijk, stil-/stilletjes-/zachtjes-/zoetjesaan”. Vaak met de connotaties: “beetje bij beetje, stukje voor stukje”. Een mooie omschrijving is soms ook: “langzaam maar zeker”. Daar zit voor mij niets negatiefs in, maar hoogstens een zekere onontkoombaarheid.
Van Dale refereert hierbij aan: ‘’Mnl. /met (bi) liever lade(n)/ (op zijn gemak, geleidelijk), van /liden/, /lijden/ in de oorspr. betekenis van ‘gaan’ ”.