Im West- und Nordfriesischen, im Saterfriesischen und im ostfriesischen Plattdeutsch wird ein Garten mit “Tuun” und ähnlichen Wörtern angedeutet. Bedeutet das, dass dieses Wort typisch Friesisch sein sollte, wie ein Bekannter mich neulich fragte? Nein, das ist nicht der Fall.
Die ursprüngliche Bedeutung von “Tuun” ist Zaun – und dieses verwandte hochdeutsche Wort hat immer noch die alte Bedeutung. Das gilt auch für “Tuun” in den meisten plattdeutschen Mundarten.
In einem breiten Streifen, der ungefähr die niederländischen Provinzen Nord- und Südholland, Utrecht, Fryslân und Groningen, sowie auch Ostfriesland, das Saterland und Nordfriesland umfasst, hat die Bedeutung sich im Laufe der Jahrhunderte gewandelt: Die Fläche, die vom Zaun umschlossen wurde, wurde selber “Tuun” genannt. Dieses Wort blieb in vielen Regionen “Tuun”, wurde jedoch durch regelmäßige Lautverschiebungen in einigen Gegenden “Tuun” oder “Töin” ausgesprochen. Mit dieser letzten Aussprache wurde es im Niederländischen zur Standardsprache. Die heutige offizielle Rechtschreibung ist “tuin”.
Im Englischen geschah mit dem dort verwandten Wort “town” ähnliches: Eine ummauerte Standt erhielt den Namen der Mauer und heute ist “town” das übliche Wort für viele mittelgroße und größere Ortschaften im englischen Sprachgebiet.
Solche Bedeutungswandlungen sind in der Sprachgeschichte sehr üblich und sie sind ansteckend. Wir sehen, dass “Tuun” und verwandte Formen im Laufe des 20. Jahrhunderts auch in vielen niedersächsischen Mundarten in den östlichen Niederlanden die Bedeutung “Garten” an sich gezogen haben.
Dieser Bedeutungswandel hat in Holland schon im 14. Jahrhunder stattgefunden und hat sich vermutlich von daraus langsam nach Osten ausgebreitet. Im mittelalterlichen Friesisch wurde “Tuun” nur für Zaun verwendet, die heutige Bedeutung muß also neueren Datums sein.
Mein Bekannter fragte, wie es dann mit diesem altfriesischen Satz aus dem Fivelgoer Landrecht aussah:
“Hwersa […] thiu long thiustera nacht and thi nedtkalda winter ur tha tuner hliet […]”
Sollte der nicht als “Wenn die lange, dunkle Nacht und der eiskalte Winter auf die Gärten hinabsteigen …” übersetzt werden? Die etwas merkwürdige mittelalterliche lateinische Übersetzung “et illa tenebrosa nebula et frigidissima hiemes in ortos et sepes descendit” vergrößert die Verwirrung, aber wahrscheinlich muss die Doppelform “in ortos et sepes” wie “zwischen Anhöhen und Zäunen” gelesen werden. Das wäre eine metonymische Andeutung für ein eingezäuntes Grundstück, die vermuten lässt, dass “ur tha tuner” (in anderen Versionen auch “on tha tunan”) ebenfalls eine metonymische Lesart hat.
Übrigens ist der Bürgergarten ein ziemlich neues Phänomen. Wörter wie “Garten” und “Tuun” deuteten früher eher Gemüsegärten und Höfe an. Die Bedeutungsdehnung auf Rasen, Klein- und sogar Schottergärten hat sich schleichend durchgesetzt.
Earder ferskynd yn de General-Anzeiger
Peter Hannemann zegt
“Mor mien toentje, mor mien toentje
Ja dij mis ik nait geern
Der is aaltied dieverdoatsie veur mie…” 😀
Jan Stroop zegt
Een aanvulling: mijn artikel ‘Haag en tuin’
http://www.janstroop.nl/2021/11/haag-en-tuin/